Sozialdumping im Straßengüterverkehr macht Neujustierung der EU-Dienstleistungsfreiheit für Unternehmen erforderlich

Lkw aus den EU-Beitrittsstaaten anno 2016 mit neuntem Marktanteilsrekord in Folge auf Deutschlands Straßen

Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V. aus Frankfurt am Main verwies auf seiner Mitgliederversammlung 2016 darauf, dass das deutsche Transportlogistikgewerbe durch zunehmende Dumpingkonkurrenz immer stärker unter Druck gerät. Gemessen an den in Deutschland gefahrenen Mautkilometern sinkt der Marktanteil deutscher Lkw seit Jahren kontinuierlich. Dieser Trend setzte sich auch 2016 fort, obwohl die zum 01.10.2015 realisierte Senkung der Mautpflichtgrenze bereits auf Fahrzeuge ab 7,5 t zGG fast nur deutsche Lkw traf.

Seit der Finanzkrise im Jahre 2009 sank der Marktanteil deutscher Lkw gemäß der Mautstatistik des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) von 65,6 % über 64,4 % anno 2010, 63,5 % in 2011, 62,6 % in 2012, 61,6 % in 2013, 60,7 % in 2014 und 59,8 % in 2015 auf nur noch 59,2 % in den ersten neun Monaten des Jahres 2016! Lkw aus den EU-Beitrittsstaaten dagegen konnten ihren Marktanteil seit 2007 von 18,4 % auf beachtliche 31,4 % im Zeitraum Januar bis September 2016, und damit auf den neunten Marktanteilsrekord in Folge ausbauen (s. Anlage 1). Allein Fahrzeuge mit polnischen Kennzeichen verfügten auf den mautpflichtigen Straßen in Deutschland inzwischen über einen Mautkilometeranteil von 14,6 %. Auf dem 2. Platz lagen die tschechischen Lkw. Erstmals verdrängten die rumänischen Lkw die der ehemaligen „Fuhrleute Europas“ aus den Niederlanden von Platz 3 (s. Anlage 2).

Der BGL und Kenner der Märkte sehen die Ursachen für diese Entwicklung u.a. im anhaltenden Lohn- und Sozialkostengefälle. Dieses manifestiert sich u.a. in immer mehr Fuhrparks, die zwar komplett im Ausland zugelassen sind, jedoch dauerhaft in Deutschland stationiert und auch von Deutschland aus disponiert werden. Die Fahrer dieser Fuhrparks stammen aus Mittel- und Osteuropa und werden zu dortigen Konditionen bezahlt. Sie sehen die Heimat nur alle paar Wochen oder Monate wieder mit der Folge, dass in der Zwischenzeit die gesamten Ruhe- und Freizeiten im Fahrerhaus zumeist auf Autobahnparkplätzen („Lkw-Camping“) verbracht werden. Dies erhöht die ohnehin vorhandene Parkplatznot zusätzlich und veranlasst Lkw-Fahrer, zur Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Pausen in Parkplatzein- und -ausfahrten zu parken.

Der BGL hat deshalb angeregt, das Halten auf Autobahnparkplätzen auf normale Schichtruhezeiten und Pausen zu begrenzen. Das Warten auf Folgeaufträge oder das Verbringen der sog. regulären Wochenruhezeit sollte dort durch entsprechende Parkregelungen unterbunden werden. BGL-Präsident Adalbert Wandt geht sogar noch einen Schritt weiter: „Da beim Umflaggen ganzer Fuhrparks in Billiglohnländer die innerhalb der EU grundsätzlich erlaubte Dienstleistungsfreiheit für Sozialdumping missbraucht wird, fordert der BGL eine EU-Regelung, die eine Anwendung des Sozial- und Arbeitsrechts desjenigen Landes bestimmt, in dem das Fahrpersonal dauerhaft oder überwiegend Dienstleistungen erbringt. Der EuGH hat dieses Prinzip schon durch seine Rechtsprechung anerkannt.“

Der zum 01.01.2015 in Deutschland eingeführte Mindestlohn erwies sich im Bereich des Straßengüterverkehrs bisher als offensichtlich ungeeignet, um Sozialdumping zu verhindern. Ausländische Transportunternehmen werden nach wie vor faktisch nicht kontrolliert. Grund: Damit ein gebietsfremdes Transportunternehmen seiner Meldepflicht genügt, reicht es bereits aus, pro Halbjahr ein einziges Fahrzeug nebst Fahrer an die Kontrollbehörde – derzeit noch per Fax (!) – zu melden, ohne dass dieser Einsatzplan bei weiteren Fahrten ergänzt werden muss. Dagegen kann nach Ansicht des BGL nur ein verbindliches Meldesystem über eine einfach zu bedienende Online-Plattform für Abhilfe sorgen, in dem lediglich vor Antritt der Fahrt Abgangsort und Ziel der Fahrt mit der Fahrzeug-Nr. und dem Namen des Fahrers einzugeben wären – im Zeitalter von Smartphones sicherlich keine überbordende Bürokratie gegen menschenverachtendes Sozialdumping. Mit einem derartigen Meldeverfahren, möglichst auf EU-Ebene, könnte das vom EuGH bestätigte Prinzip zur Anwendung des Arbeits- und Sozialrechts desjenigen Staates, in dem der Fahrer überwiegend beschäftigt ist, wirksam umgesetzt werden.

Trotz des starken internationalen Konkurrenzdruckes entwickelten sich die Fahrzeuginvestitionen der deutschen Transportlogistikunternehmen aufgrund des jahrelang aufgeschobenen Investitionsbedarfs wieder etwas positiver. Wie die Zulassungsstatistik des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) in Flensburg zeigt, bewegte sich die Zahl der in den ersten zehn Monaten des Jahres 2016 in Deutschland neu zugelassenen Sattelzugmaschinen mit 32.058 Einheiten jedoch immer noch um 9 % unter dem Vorkrisenniveau von 2008 (s. Anlage 3).

Ergänzende Informationen hierzu finden Sie im neuen BGL-Jahresbericht auf den Seiten 8-12 und 35-42.

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