SICHERHEIT

Fahrer­assistenz­systeme

Eine Daueraufgabe mit Stellenwert

Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit sind für den BGL und die von ihm vertretenen Transportlogistikunternehmen eine Daueraufgabe mit herausragendem Stellenwert. Gewerbeintern und in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen stellt sich der BGL seit Jahrzehnten den damit verbundenen ständig neuen Herausforderungen.

Fortschritte für die Verkehrssicherheit lassen sich nämlich nicht allein durch verbesserte Fahrzeuge mit einem höheren aktiven und passiven Personenschutz erreichen.

Ohne Fortschritte auf dem Gebiet der Verkehrserziehung und Fahrausbildung bleiben Anstrengungen zur Unfallprävention auf halber Strecke stehen. Das gleiche gilt für eine schlecht ausgebaute und überlastete Infrastruktur, die hohe Verkehrssicherheitsrisiken birgt. Entscheidend ist und bleibt bei diesen Betrachtungen aber stets der Mensch, der mit moderner Technik und Sicherheitsbewusstsein immer wieder neu motiviert und angeleitet werden muss. Nur eine gesamtheitliche Betrachtung von Wirkungszusammenhängen zwischen Mensch -> Technik -> und Infrastruktur wirkt letztendlich unfall- und gefahrmindernd. Die Qualität des „Systems Straßengüterverkehr“ und seine gesellschaftliche Akzeptanz sind damit eng verbunden. Ziel bleibt die Null-Fehler-Leistung in einem ökologisch und sozial abgestimmten Gesamtsystem. Auch wenn die Vision vom „Fahrerlosen Transportsystem“ oder dem „Selbstfahrenden Lkw (mit Fahrerbegleitung)“ selbst in der Zukunftsmusik allenfalls als Sphärenklänge wahrzunehmen ist, unterstützt und fördert der BGL über Fahrerassistenzsysteme diese Visionen.
In der Praxis ist allerdings ein schrittweises Vorgehen erforderlich, um Innovationen voranzubringen. EU-Kommission, Nutzfahrzeughersteller, die KRAVAG-Versicherungsgruppe, die Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft und der BGL ziehen dabei an einem Strang. Die gemeinsame Präsentation von Fahrerassistenzsystemen am 23.05.2008 in Berlin-Gatow mit dem damaligen Industriekommissar Günther Verheugen trägt mittlerweile Früchte.

Die EG-Verordnung 661/2009 schreibt für die Typgenehmigung neuer Nutzfahrzeuge die Ausrüstung mit modernen Sicherheitssystemen vor:

  • Elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP)
    In kritischen Situationen, wie geringe Bodenhaftung oder überhöhte Kurvengeschwindigkeit, wirkt das ESP auf das Antriebs- und Bremssystem des Fahrzeugs und unterstützt den Fahrer dabei, die Kontrolle über das Fahrzeug zu behalten. ESP ist bereits für den größten Teil der Nutzfahrzeuge mit Erstzulassung ab dem 01.11.2014 und für gewisse Sonderfälle bis spätestens 11.07.2016 verpflichtend.
  • Vorausschauendes Notbremssystem (AEBS; Advanced Emergency Braking System)
    Gefahrensituationen können durch das vorausschauende Notbremssystem erkannt werden. Auch ohne Mitwirkung des Fahrers wird das Fahrzeug abgebremst, um einen Zusammenstoß zu verhindern oder zumindest abzumildern. AEBS wird in zwei Schritten eingeführt: Genehmigungsstufe 1 fordert AEBS ab einer zulässigen Gesamtmasse (zGM) über 8 t für Lkw und Busse (mit mehr als 8 Sitzplätzen außer dem Fahrersitz) spätestens bei Erstzulassung ab dem 01.11.2015. Genehmigungsstufe 2 fordert AEBS auch ab einer zGM über 3,5 t für Lkw (ausgenommen u.a. Sattelzugmaschinen mit zGM ≤ 8 t) und Busse (mit mehr als 8 Sitzplätzen außer dem Fahrersitz) spätestens bei Erstzulassung ab dem 01.11.2018.
  • Spurverlassens-Warnsysteme (LDWS; Lane Departure Warning System)
    Würde das Fahrzeug z.B. wegen Unaufmerksamkeit des Fahrers die Fahrspur verlassen, wird der Fahrer vom LDWS gewarnt. LDWS ist für Lkw mit einer zGM über 3,5 t (ausgenommen u.a. Sattelzugmaschinen mit zGM ≤ 8 t) und Busse mit mehr als 8 Sitzplätzen außer dem Fahrersitz spätestens bei Erstzulassung ab dem 01.11.2015 verpflichtend.

 

Gestützt durch eine wissenschaftliche Studie im Rahmen der Aktion „SICHER. FÜR DICH. FÜR MICH“ hat der BGL in Kooperation mit der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft und der KRAVAG-Versicherung erstmalig im Feldversuch den praktischen Nachweis der Praxistauglichkeit der genannten Systeme führen können. Das Risiko, an einem Unfall mit Lkw beteiligt zu sein, der mit FAS ausgerüstet ist, liegt signifikant niedriger. Gegenüber den Referenzfahrzeugen ohne FAS konnte eine um 34 % (!) niedrigere Unfallwahrscheinlichkeit festgestellt werden.

Diese ersten ermutigenden Schritte bestätigen die „Vision“, dass weitere bedeutungsvolle Schritte mit neuen Assistenzsystemen für noch mehr Verkehrssicherheit sorgen können. Als nächstes dürften der Abbiegeassistent und Systeme zur Car-to-Car-Kommunikation die Verkehrssicherheit und die Qualität des „Transportsystems Straße“ bedeutend voranbringen.

Der BGL kann allerdings nicht nachvollziehen, dass es trotz obligatorisch vorgeschriebener Sicherheitssysteme dem Fahrer ermöglicht werden kann, bei Fahrtantritt die Systeme AEBS und LDWS abzuschalten. Durch eine bestehende Abschaltfunktion kann der Fahrer im Extremfall seine gesamte Lenkzeit ohne die obligatorisch vorgeschriebenen Sicherheitssysteme AEBS und LDWS absolvieren. Dem BGL ist bewusst, dass es in gewissen Verkehrssituationen durchaus sinnvoll sein kann, dem Fahrer kurzzeitig die Möglichkeit einzuräumen, Sicherheitssysteme manuell zu deaktivieren. Allerdings muss für eine automatisierte Eigenaktivierung der Systeme nach einer definierten Zeit Sorge getragen werden. Nicht zuletzt wird dadurch ausgeschlossen, dass der Fahrer ein erneutes Zuschalten im Fahrbetrieb vergisst. Der BGL sieht in den festgeschriebenen Mindestanforderungen an die genannten Sicherheitssysteme die Gefahr, dass die durch die Verordnung (EG) 661/2009 eingeführte Ausrüstungspflicht unterlaufen werden kann.

Der BGL appelliert bereits seit Jahren mit Nachdruck an die Nutzfahrzeughersteller, dafür Sorge zu tragen, dass sich im Sinne der Verkehrssicherheit die abschaltbar geregelten Fahrerassistenzsysteme automatisiert, nach definierten Zeitintervallen (z.B. 15 Minuten) wieder aktivieren.