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BGL-Stufenmodell für die EU-Osterweiterung

22.10.01

BGL. Frankfurt/M. - Nach einer Prognose des Ifo Instituts wird sich im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung und der immer enger werdenden Verflechtung der Wirtschaftsräume in Ost und West der grenzüberschreitende Güterverkehr wesentlich dynamischer entwickeln als der nationale Verkehr. Von 1997 bis 2015 wird eine Steigerung der Verkehrsleistungen im Binnenverkehr der Bundesrepublik Deutschland um 34 Prozent erwartet. Der grenzüberschreitende Gütertransport soll nach dieser Prognose um 90,6 Prozent ansteigen. Der Transitverkehr wird laut Ifo Institut sogar um 109,5 Prozent zunehmen.

Sollte sich diese Entwicklung bewahrheiten, würden in knapp 14 Jahren die Verkehrsleistungen über deutsche Grenzen und im Transitverkehr durch Deutschland alle Verkehrsleistungen im nationalen Verkehr der Bundesrepublik Deutschland übertreffen. Für den Güterverkehr mit den ehemaligen Staatshandelsländern wird sogar eine Zunahme der Transportleistung um 190 Prozent angenommen. Damit wird sich der Anteil der MOE-Staaten am grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr der Bundesrepublik Deutschland von 14 Prozent auf 23 Prozent erhöhen.

Um Marktverwerfungen durch die EU-Osterweiterung auf den Verkehrsmärkten zu vermeiden, hatte der BGL frühzeitig ein Stufenmodell für eine schrittweise Öffnung des EU-Verkehrsmarktes in die verkehrspolitische Diskussion eingebracht. Dieses Modell hat Eingang in entsprechende Vorschläge des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen gefunden. Demnach sollen schon in der Vor-Beitrittsphase die Märkte im grenzüberschreitenden Verkehr innerhalb der EU und mit den Beitrittsländern durch EU-Kontingente progressiv geöffnet werden. Dies begründet der BGL mit der Notwendigkeit, den in den Beitrittsländern ansässigen Verkehrsunternehmen einen zeitlichen Vorsprung vor kapitalkräftigen und Know-how-starken Unternehmen aus Westeuropa zu geben. Diese Kontingente sollten je nach Stand der Umsetzung des gemeinschaftlichen Rechtsstandards schrittweise erhöht werden.

Nach dem BGL-Modell könnten mit dem vollzogenen EU-Beitritt und vollständiger Umsetzung des EU-Rechts in den Beitrittsstaaten alle Marktzugangsbeschränkungen im grenzüberschreitenden Verkehr fallen. Für die Kabotage, also die Durchführung nationaler Verkehre, sollten gewisse Beschränkungsmöglichkeiten für einen Übergangszeitraum aufrecht erhalten bleiben.

Wie der aktuelle Vergleich der Lohn- und Sozialkosten der EU-Länder mit den Beitrittskandidaten zeigt, besteht immer noch eine Kostendifferenz pro Arbeitsstunde im Verhältnis von 10:1.

Der BGL hat angesichts des noch auf längere Zeit absehbaren Lohn- und Einkommensgefälles zu den MOE-Staaten den Mitgliedsunternehmen in den Landesverbänden eine "Standortdiversifizierung" empfohlen.

BMVBW und IRU stützen BGL-Übergangsszenario

Zu den Befürwortern eines Stufenkonzepts, das der BGL ins Gespräch gebracht hatte, zählt neben dem Wissenschaftlichen Beirat im BMVBW auch die IRU, die Weltorganisation des Straßengüterverkehrsgewerbes. Das BMVBW hat im April 2001 der EU einen offiziellen Vorschlag eingereicht, der ein solches Dreistufenkonzept vorsieht. Folgende Maßnahmen vor und nach dem Beitritt von EU-Beitrittsländern sind darin vorgesehen:

1. Stufe vor dem Beitritt eines Beitrittskandidaten: Vereinbarung eines Kontingents für den grenzüberschreitenden Verkehr, das jährlich bis zum Beitritt erhöht wird und an Unternehmen in den Beitrittsländern zur Ausgabe kommt, die bereits den Marktzugangsvoraussetzungen der EU genügen.

2. Stufe zum Beitritt eines EU-Landes: Alle Kontingente zum grenzüberschreitenden Verkehr entfallen bei gleichzeitiger Einführung eines Kabotagekontingents.

3. Stufe nach dem Beitritt: Sieben Jahre nach dem Beitritt sollen alle Marktzugangsbeschränkungen auch im Kabotagebereich fallen.

Der Vorschlag der Bundesrepublik Deutschland ist in seinen Details bereits sehr weit differenziert und bietet somit eine gute Grundlage für die im Ministerrat derzeit stattfindende Diskussion zur Festlegung der EU-Verhandlungsposition.

EU-Kommissar Verheugen gefährdet deutsches Konzept

Der BGL hat nach Bekanntwerden der jüngsten Verlautbarungen zur EU-Osterweiterung durch EU-Kommissar Günter Verheugen bei der Bundesregierung darauf gedrängt, dass die deutsche Verhandlungsposition nicht durch den von Verheugen ins Gespräch gebrachten Abschluss zweiseitiger Vereinbarungen zwischen EU-Staaten und Beitrittsländern unterlaufen wird. Bei der ebenfalls von Verheugen vorgeschlagenen uneingeschränkten Niederlassungs- und Kabotagefreiheit für Transportkonzerne von Anfang des Beitritts an sieht der BGL die Gefahr, dass diese "Platzhirsche" aus Westeuropa mit der Stationierung großer Flottenkapazitäten und Beschäftigung des dort ansässigen Fahrpersonals in den Beitrittsländern sowohl den dort niedergelassenen mittelständischen Transportunternehmen als auch dem Mittelstand in Deutschland keine Chance ließen.

Mit dem drohenden Sozialdumping würde Europa ein schlechter Dienst erwiesen. Der BGL hat an das Bundesverkehrsministerium appelliert, die Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit, Niederlassungsfreiheit und Freizügigkeit für die Arbeitnehmer im größer werdenden EU-Verkehrsmarkt nicht ohne Berücksichtigung der mittelständischen Interessen voranzutreiben.

Frankfurt am Main, den 22. Oktober 2001

Pressekontakt

Martin Bulheller
Leiter Öffentlichkeitsarbeit

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