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EU-Kommission in der Sackgasse ihrer eigenen Verkehrspolitik gefangen

14.09.01

BGL. Frankfurt/M. - Nach Auffassung des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) in Frankfurt am Main steht die EU-Kommission mit ihrer seit 15 Jahren betriebenen EU-Deregulierungspolitik in einer Sackgasse ohne Wendeschleife. Das neue EU-Weißbuch über die europäische Verkehrspolitik bis 2010 postuliert zwar die Wende und beschreibt auch mögliche Instrumente für eine standortstärkende Verkehrspolitik. Unverständlicherweise werden jedoch aus der Analyse des Verkehrsgeschehens nicht die notwendigen Rückschlüsse gezogen. Stattdessen zieht sich die EU-Kommission auf eine einseitige Schienenverkehrspolitik zurück, die andere Verkehrsträger nur verbal stärkt und völlig an den Marktgegebenheiten vorbeigeht.

Beleg für diese These ist das Investitionsprogramm der EU-Kommission, das vornehmlich Infrastrukturinvestitionen in die Schiene vorsieht, aber keine reale Perspektive für den dringenden Infrastrukturausbaubedarf der anderen Verkehrsträger vorsieht.

Trotz der ehrgeizigen Schieneninvestitionen und anderer flankierender Maßnahmen geht die Europäische Union davon aus, dass der heutige Marktanteil der Schiene mit 8 % lediglich stabilisiert werden kann. Für die Straße, die die Hauptlast der EU-Integration zu tragen hat, gibt es außer der Anlastung zusätzlicher externer Kosten und Sonderkosten für den Ausbau "umweltfreundlicher Verkehrsträger" kein Programm. Wie damit der von der EU-Kommission prognostizierte Verkehrszuwachs, der im wesentlichen die Straße betrifft, gemeistert werden soll, bleibt unklar.

Das Weißbuch der Kommission kommt deshalb bei der erwarteten "Verkehrsflut" der Forderung gleich, der Straßengüterverkehr möge mit dem "kleinsten Eimer" die überquellenden Fluten abschöpfen. Darüber hinaus sollen damit auch die überlaufenden "Keller" speziell der Schiene leer geschöpft werden. Mit der versprochenen Kostenwahrheit hat dies wenig zu tun, wenn dafür hohe Quersubventionen der Straße die Schiene stärken sollen. Der Nutzer auf der Straße würde dann verdeckte Subventionen für Schienennutzer zahlen.

Dies ist nicht nur unangemessen, sondern ökonomisch auch völlig kontraproduktiv. Tatsache ist, dass Schieneninfrastrukturen drei bis sechs Mal teurer sind als Straßeninfrastrukturen. Die Kommission bleibt jedoch der Öffentlichkeit die Antwort schuldig, wie auf Dauer die Schiene mit unverhältnismäßigem Aufwand den Standort Europa stärken kann und wie die Straße zwei Drittel des Verkehrswachstums übernehmen könnte, wenn in die Straßeninfrastruktur keine nennenswerten zusätzlichen Mittel gesteckt werden.

Es gehört zu den großen Widersprüchen des EU-Weißbuchs, wenn die Kommission selbst feststellt: "Das Fehlen leistungsfähiger Verkehrsinfrastrukturnetze, die dieses vorhersehbare Verkehrswachstum auffangen könnten, wird noch weitgehend unterschätzt.", selbst aber falsche Schwerpunkte in der Verkehrs- und Investitionspolitik setzt.

Ungeachtet der Widersprüche im EU-Weißbuch und die Bahnlastigkeit der Kommissionsposition unterstreicht der BGL die Grundzüge einer fairen Infrastrukturkostenanlastung, wenn diese zu einer Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen führen und nicht der ökosozialistischen Verkehrslenkung dienen. Das Prinzip, steuerfinanzierte Infrastrukturen gänzlich auf Nutzerfinanzierung umzustellen, findet die uneingeschränkte Bestätigung. Die Anlastung externer Kosten darf jedoch nicht nur den Lkw treffen, sondern muss gleichermaßen allen Verkehrsträgern "aufgebürdet werden",

damit es nicht zu neuen Wettbewerbsverzerrungen kommt. In diesem Punkt hat die Kommission jedoch weniger als eine einäugige Sichtweise, wenn sie z. B. nur externe Kosten verrechnen will, die straßenspezifisch sind. So geht es nicht an, CO2-Kostenzuschläge zum Klimaschutz abzurechnen, wenn die hohen Atomstromanteile der Eisenbahn mit Null in die Bewertung eingehen. Auch der Ausbau von Flüssen zur Schaffung einer leistungsfähigen Binnenschifffahrt und als Alternative zu anderen Verkehrsträgern ist sicherlich ein erwägenswertes Ziel. Nur muss die Kommission dann auch bereit sein, die externen Kosten für die Schiffbarmachung von Flüssen - speziell für größere Schiffe - den Nutzern der Binnenschifffahrt anzulasten.

Der BGL widerspricht dem im Weißbuch indirekt verankerten Grundsatz, die Straße habe für alle anderen Verkehrsträger zu zahlen, und damit es marktwirtschaftlich aussieht, manipulierte Kostenwahrheiten hinzunehmen. Mit einer monopolistisch strukturierten Eisenbahn, deren Hauptmängel die Kommission selbst beschreibt, wird in Europa kein Staat und schon gar keine leistungsfähige Wirtschaft zu machen sein. Bevor auf dem "Papier und dem Verordnungswege" neue Lasten für den Straßengüterverkehr ersonnen werden, müssen nach den Gesetzen der Logik zunächst die Grundvoraussetzungen geschaffen werden, auf der Schiene durch mehr Wettbewerb auch nennenswerte Kapazitätsreserven bereitzustellen. Auch in diesem Punkt belegt die Kommission selbst, dass die Situation "schlimmer" ist als gedacht.

So sind im transeuropäischen Verkehrsnetz 7.500 km Straße (10 % des Netzes) und 16.000 km (70 %) des Eisenbahnnetzes chronisch überbelastet. Angesichts der langen Ausbauzeiten für Infrastrukturvorhaben reduziert sich damit die Verlagerungsphilosophie der Kommission auf reine Theorie und ein Programm zum Abkassieren des Straßenverkehrs. Einziger erhoffter Effekt ist die Stabilisierung des verschwindend kleinen Marktanteils der Schiene (8%).

Die Wirtschaft und der Standort Europa soll diese "Verkehrsideologie" bezahlen. Angesichts der globalen Verflechtungen muss sich das verkehrspolitische Programm der EU negativ auf die Effizienz der Wirtschaft und die Arbeitsplätze im globalen Wettbewerb auswirken. Speziell periphere Regionen und die EU-Beitrittsländer werden durch die geplante exorbitante Verteuerung von Transportleistungen die Angleichung ihres Wohlstands wohl auf den "St. Nimmerleins-Tag" verschieben müssen.

Der BGL verlangt keine Privilegierung des Lkw-Verkehrs, sondern eine objektive und realistische verkehrspolitische Orientierung der Europäischen Union. Dem mittelständischen Verkehrsgewerbe können keine weiteren Sonderlasten mehr zugemutet werden, nur weil monopolistische Eisenbahnen nicht in die Schuhe kommen und Wettbewerb verhindern. Das von der Kommission genannte Beispiel privater Eisenbahnen im Bereich der Chemie ist ein trauriger Beleg dafür, wie Wettbewerb durch Monopolisten und Dumpingpraktiken von subventionierten Staatsbahnen unterbunden wird.

Ideologie für die Ausrichtung der Zukunft Europas wird unbezahlbar. Übrigens: Wer den hohen Verkehrsanteil der Staatsbahnen im ehemaligen Ostblock hervorhebt, der sollte auch auf den Zustand der Wirtschaft und das Wohlstandsniveau hinweisen. Verkehr ist Voraussetzung für unsere heutigen Lebensgrundlagen. Wer dies negiert, wird der Bevölkerung nicht lange klar machen müssen, wie "alternatives Wirtschaften" und Staatsbürokratie in den Ökosozialismus führen. Im Megastau wird allen ein Licht aufgehen, selbst denjenigen, die nicht Auto fahren. Warteschlangen gibt es auch vor den Arbeitsämtern in ganz Europa.

Frankfurt am Main, den 14. September 2001

Pressekontakt

Martin Bulheller
Leiter Öffentlichkeitsarbeit

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