Reregulierung löst keine Verkehrsprobleme
06.11.00
BGL. Frankfurt/M. - Die Deregulierung des Europäischen Verkehrsmarktes hat den Hang zur Megafusion gestärkt und die unternehmerischen Handlungsspielräume des mittelständischen Transportgewerbes durch die Kapitalkraft und das Know-how seiner Konkurrenten beschränkt. Dabei haben auch die "Global-Player" am Markt erkannt, dass es ohne mittelständische Anbieter im Verkehrsmarkt nicht geht. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) setzt sich seit Jahren für die Schaffung fairer Spielregeln für diesen Teil der Anbieter ein, damit sich effiziente Wettbewerbsprozesse entfalten können.
Dieser Prozess wird jedoch nach Erkenntnissen des BGL durch Einzelmaßnahmen von Regierungen der EU-Mitgliedstaaten unterbunden, die den Straßengüterverkehr diskriminieren.
Diese Reregulierung des Verkehrs zugunsten der Eisenbahnen wird nicht mehr über den Einsatz dirigistischer Mittel gefordert, sondern mit Methoden, die als pseudomarktwirtschafltiche "Folterinstrumente" moderner Verkehrspolitik nicht weniger einschneidend sind. Mit der einseitigen Anlastung der in der Wissenschaft nach wie vor umstrittenen "externen Kosten" soll die Dynamik des Straßengüterverkehrs auf ein "politisch erwünschtes Ausmaß" reduziert und ein neuer Schutzzaun für die Eisenbahnen errichtet werden.
Dabei ergeben sich, nach Erkenntnissen des BGL, je nach Wahl des Bewertungsverfahrens und der Methodik in den wissenschaftlichen Gutachten, Kostendifferenzen für die gleichen Untersuchungstatbestände, die um den Faktor 10 höher oder niedriger liegen können. Der Bundesverband nennt als jüngstes Beispiel das Gutachten des Internationalen Eisenbahnverbandes UIC und der Gemeinschaft der Europäischen Bahnen (GEB), in dem nur ganz bestimmte externe Kostenarten des Straßengüterverkehrs berücksichtigt wurden.
Völlig unberücksichtigt bleiben dagegen im Schienenverkehr dessen spezifische externe Kostenkomponenten, so z.B. der relativ hohe Atomstromanteil des Schienenverkehrs (rd. 28 Prozent) in der Bundesrepublik Deutschland.
"Während die Eisenbahngutachter 18,5 Prozent aller externen Kosten des Verkehrs als Kosten der Klimaveränderung ansetzen, lassen sie die ungeklärten Entsorgungskosten für Atomstrom im Ansatz völlig außen vor", bemängelt der BGL in seiner Kritik das Gutachten. Die dafür verantwortlichen Wissenschaftler machten sich zum Büttel verkehrspolitischer Absichten und wirtschaftlicher Interessen einzelner Unternehmen.
Würde nämlich in Erwägung gezogen, dass bei der Verlagerung von Straßenverkehren auf den kombinierten Verkehr keine oder kaum energiewirtschaftliche Vorteile entstehen, müsse die konventionelle Art der Energieerzeugung im Schienengüterverkehr in die Betrachtung "externer Kosten" einbezogen werden. Die Schiene schneide auch im Energievergleich Kombiverkehr/Straßengüterverkehr keineswegs besser ab und biete damit keine Vorteile in Bezug auf den Klimaschutz. Dies belegten die bereits in den achtziger Jahren angestellten Untersuchungen der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. Seitdem habe sich der Durchschnittsverbrauch eines 40 t-Lastzuges von 42 Litern/100 km auf 36 Liter/100 km verringert.
Inzwischen seien auch die Abgasemissionswerte z.B. bei den modernen EURO III-Motoren um 70 Prozent zurückgegangen.
Negative Flächenbilanz der Bahn
Der Bundesverband hält den Befürwortern einer Verkehrsverlagerung auf die Schiene auch die Flächenbilanz der Eisenbahn vor. Zur Zeit benötigt ein Kombizug - auch bei moderner Steuerungstechnik - immer noch rd. acht Kilometer Schienenverkehrsraum. Auf einem solchen Zug könnten die Ladungen von max. 44 LKW mitgenommen werden. Die gleiche Anzahl LKW beanspruche unter Einhaltung des vorgeschriebenen Sicherheitsabstandes auf der Straße jedoch gerade mal 3,0 Kilometer!
Daraus folgert der BGL, dass eine Verlagerung von Straßengüterverkehren auf die Schiene wesentlich mehr Verkehrsraum beansprucht als der reine Straßentransport.
Auch der Vergleich der Lärmbilanz beider Verkehrsträger fällt negativ für die Bahn aus. Im Gegensatz zum LKW, der durch umfangreiche Lärmschutzmaßnahmen am Fahrzeug in den letzten Jahren noch wesentlich leiser wurde, weist die Bahn noch Lärmspitzenwerte auf, die an den Geräuschpegel startender Flugzeuge heranreichen. Da die Schienenstrecken - historisch bedingt - vielerorts durch Siedlungsgebiete führen, sieht der BGL auch keine Chance für die Bahn, von dieser Lärmbelastung herunterzukommen.
Bei einer verstärkten Verlagerung des Straßengüterverkehrs auf die Schiene hätte die Bevölkerung noch mehr unter dem Lärm von Eisenrädern auf Eisenschienen zu leiden, da die meisten Güterzüge nachts zu ihren Bestimmungsorten fahren, wenn keine Personenverkehre stattfinden.
"Die Prämisse der 'umweltfreundlichen Eisenbahn' ist ebenso falsch wie die These, auf der Schiene bestünden erhebliche marktfähige Kapazitätsreserven für den Güter- und Personenverkehr", kommentiert der BGL die immer wieder vorgetragenen Wunschvorstellungen nach einer Verkehrsverlagerung auf die Schiene. So habe die Pällmann-Kommission klargestellt, dass max. das Wachstum eines Jahres auf die Schiene bei der heutigen Netzkapazität zu verlagern sei.
Dies ist nach Ansicht der Experten an der Verkehrsbelastung auf der Straße nicht spürbar zu registrieren. Erst 2015, sollte bis dahin das "Grüne Schienennetz" aufgebaut sein, könnte die Schiene ihre Leistung verdoppeln. Diese Kapazitätssteigerung reicht jedoch nur aus, um 20 Prozent des bis dahin eintretenden Verkehrswachstums auf der Straße zu übernehmen.
Obwohl die Eisenbahnen europaweit nur noch 10 bis 20 Prozent aller Verkehrsleistungen abwickelten, würden sie in einigen EU-Staaten bereits seit vielen Jahren die Hälfte des Verkehrs-Etats verschlingen. In der Bundesrepublik sei die gleiche Entwicklung zu beobachten, ohne dass sich an den Marktanteilen der Schiene etwas geändert habe.
Dabei habe der Staat fünf- bis sechsmal soviel in die Schiene investiert als in die Straße.
Frankfurt am Main, den 06. November 2000
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